Die Debatte zur Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz
Mehr Politik für Kinder?
Wenn man in letzter Zeit in Medien wie Zeitungen und Online-Artikeln genauer hinguckt, findet man immer öfter Artikel über Kinderrechte, die Debatte, ob sie ins Grundgesetz aufgenommen werden sollten und Kritik an der momentanen Lage.
Die CDU fordert beispielsweise ein neues Ministerium speziell für Kinder, so wie es z. B. das Bildungs- oder Finanzministerium gibt. In Bleckede gibt es nun einen Jugendbeirat, geleitet von Maik Peyko, der Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit gibt, ihre Stimme in der Politik der Stadt erhört werden zu lassen.
Doch was genau ist das Grundgesetz eigentlich? Was sind Kinderrechte überhaupt und warum sollen sie ins Grundgesetz aufgenommen werden? Was sind Vorteile, was Nachteile bei der Überlegung?
Ich habe mir bei diesem Artikel viel Mühe gegeben, um all diese Fragen zu beantworten. Falls das Bedürfnis nach weiteren Informationen aufkommt, habe ich meine Quellen am Ende verlinkt und aufgelistet.
Was ist das Grundgesetz?
Das deutsche Grundgesetz gibt es seit dem Jahre 1949. Am Anfang dieser Verfassung stehen die Grundrechte, die aus Bürger- und Menschenrechten bestehen. Auf die Bürgerrechte haben nur deutsche Staatsbürger Anrecht, auf Menschenrechte all jene, die in Deutschland leben. Menschenrechte sind beispielsweise das Recht auf Leben und Schutz des eigenen Körpers, z. B. vor Verletzungen oder Hunger, das Recht auf freie Meinungsäußerung oder freie Wahl der
eigenen Religion; Bürgerrechte unter anderem, dass die Bürger*innen die Mitglieder des deutschen Bundestags wählen dürfen.
Der Artikel 6 des Grundgesetzes ist ebenfalls ein Menschenrecht und regelt die Rechte der Eltern und gewährleistet den Schutz der Familie. Und diesen Artikel möchte die Große Koalition, mit Zustimmung einer Zweidrittelmehrheit des Bundestages, durch Kinderrechte ergänzen, mit folgender Formulierung:
„Die verfassungsmäßigen Rechte der Kinder einschließlich ihres Rechts auf Entwicklung zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten sind zu achten und zu schützen. Das Wohl des Kindes ist angemessen zu berücksichtigen. Der verfassungsrechtliche Anspruch von Kindern auf rechtliches Gehör ist zu wahren. Die Erstverantwortung der Eltern
bleibt unberührt.“
Was sind Kinderrechte?
In Deutschland gilt seit 1992 die sogenannte UN-Kinderrechtskonvention, die von beinahe allen Staaten der Welt unterzeichnet wurde. Die Konvention hat das Recht auf Nichtdiskriminierung, auf Leben, Überleben und Entwicklung, die Einhaltung der Kindesinteressen und das Recht auf Partizipation als ihre Grundprinzipien.
Neben der UN-Kinderrechtskonvention gelten in Deutschland drei Gesetze, die die Belange der Kinder regeln: das Jugendschutzgesetz, das Kinder- und Jugendhilfegesetz und das Bürgerliche Gesetzbuch, in welchen seit dem Jahr 2000 ebenfalls das Recht auf eine gewaltfreie Erziehung steht. Im Oktober 2020 wurde von der Regierung zusätzlich das Gesetz
zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder in Kraft gesetzt.
Was spricht für eine Aufnahme ins Grundgesetz?
Eine Verschärfung in der Formulierung der Kinderrechte heißt nicht automatisch, dass sich alle Kindesinteressen immer durchsetzen; es führt vielmehr dazu, dass Kinder in Entscheidungsprozesse, die sie selbst betreffen, mit einbezogen werden und eine Vernachlässigung des Kindeswohls stets sachlich begründet werden muss. Zusätzlich würden die Situation von geflüchteten Kindern sowie Kinder und ihre Familien gestärkt.
Zum Beispiel wäre die Lockdown-Phase wesentlich anders verlaufen, ständen die Kinderrechte im deutschen Grundgesetz. Rechte wie das auf eine bestmögliche Entwicklung, Freizeit und Erholung wurden während der Pandemie teilweise bis zum Undenkbaren vernachlässigt oder gar nicht beachtet. Warum wurde im Lockdown Winter 2020/2021 Schulen geschlossen, große Fabriken aber nicht? Warum wurden Schüler*innen nie befragt, was sie in einer solchen Situation tun oder bevorzugen würden? Das Infektionsschutzgesetz nahm und nimmt auf das Kindeswohl wenig Rücksicht.
Was spricht gegen eine Aufnahme?
Andererseits halten viele Experten eine Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz für überflüssig; es gebe schon genügend Regelungen zum Schutz der Kinder und Jugendlichen in Deutschland. Außerdem sei die gefundene Formulierung nicht genug und würde die Kinderrechte an sich nicht stärken, da es heißt, das Wohl des Kindes ist „angemessen“ zu
berücksichtigen und nicht „vorrangig“ oder „maßgeblich“, wie es z. B. Mitglieder der Grünen fordern. Es fehle auch das Recht der Jugendlichen, entsprechend ihres Reifegrads und Alters beteiligt zu werden.
Hinzu kommen die Bedenken, dass das genau ausbalancierte Verhältnis zwischen Kind, Eltern und Staat zugunsten des Staates und zu Lasten der Eltern aus dem Gleichgewicht kommen könne, der Staat könnte also seine Position missbrauchen und zu sehr in die Rechte der Eltern eingreifen. Es käme zusätzlich das Gefüge im Grundgesetz durcheinander, wenn bestimmte Gruppen bestimmte Rechte erhalten, so der rechtspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Jürgen Martens.
Mein Fazit als minderjährige Schülerin ist, dass es für mich persönlich zwar sinnvoll klingt, die Kinderrechte ins Grundgesetz aufzunehmen, allerdings müssen sie dann auch wirklich geachtet werden. Eine Formulierung auf Papier ändert noch nichts an den Verhältnissen, in denen Kinder und Jugendliche sich manchmal wiederfinden, wie z. B. in
der Lockdown-Phase. Es wäre aber ein Start zum Besseren und man hätte damit eine bessere Chance auf Änderung als ohne.
Der Artikel wurde im Werte und Normen Unterricht bei Herrn Eichelberger in der achten Klasse zum Überthema Menschenwürde und Menschenrechte verfasst.
{von Ida Schnakenbeck}
Quellen:
https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/kinder-und-jugend/kinderrechte/kinderrechte-im-alltag
https://www.menschenrechte.jugendnetz.de/menschenrechte/kinderrechte/interessen-der-kinder-in-der-politik/
https://www.deutschlandfunk.de/kinderrechte-im-grundgesetz-was-wuerde-sich-fuer-eltern-und.2897.de.html?dram:article_id=493050
https://www.dw.com/de/streit-um-kinderrechte-im-grundgesetz/a-56234623
https://klexikon.zum.de/wiki/Grundgesetz
Landeszeitung
Nr. 117 („Bleckede gibt dem Nachwuchs eine Stimme“) und 118
(„Politik für Kinder: CDU fordert neues Ministerium“)
www.unicef.de