Überflieger

Unsere Umweltschule – oder eben nicht

Unsere Umweltschule – oder eben nicht

Politiker machen leere Versprechungen, Unternehmer schiffen tonnenweise Müll nach Afrika, Erdöl fließt durch unsere Leitungen. So ist es heute und so war es auch vor einem und vor zwei Jahren.

Auf der Welt scheint sich Corona Pandemie nicht viel verändert zu haben. Was uns damals schon den Kopf schütteln lassen hat, empört uns heute umso mehr.

Aber wie sieht es bei uns aus?

Werfen wir einen Blick auf unsere Schule.

Vor zwei Jahren schrieben wir schon einmal über unsere „Umweltschule“. Wir hatten einiges zu sagen, denn optimal schien damals vieles nicht zu laufen. Im Gegenteil.

Dieses Mal sprechen wir die Dinge, die uns auffallen bei unserem Hausmeister Herrn Meyn und unserem Biolehrer Herrn Block direkt an!

Begeben wir uns also gemeinsam auf einen Rundgang durch die Schule.

Schon vom Busparkplatz aus fällt unser neuer Trakt auf. Mit seinen Fensterstreben in rot, grün, blau und gelb strahlt er uns farbenfroh entgegen. Um ihn herum sieht es allerdings alles andere als farbenfroh aus. Statt einer bunten, blühenden Sommerbepflanzung oder wenigstens den Krokussen und den blühenden Büschen, die dem neuen Gebäude weichen mussten, wachsen dort jetzt Lonicera Nitida, auch Heckenmyrthen genannt, diese struppigen Sträucher mit den kleinen, dunklen Blättern. Und hier und da ein wenig Unkraut.

Herr Meyn erklärt, eine solche Bepflanzung werde beim Bau eines Gebäudes gleich mitangelegt. Wenig Aufwand, wenig Pflege, Gleichgültigkeit.

Toll. Das erklärt auch, warum wir die gleiche Bepflanzung haben wie alle Supermärkte und Gemeindeparkplätze der Umgebung.

Unsere Schule ist aber ein Ort, an dem wir einen Großteil unseres Lebens verbringen, ein Ort, der uns wichtige Dinge, Werte lehren sollte. Ist da wirklich Gleichgültigkeit gegenüber der Natur und Artenvielfalt an unserer eigenen Schule angebracht?

Ist es wirklich so schwer, einige Blumen zu pflanzen, ein paar Samen auszustreuen? Könnte dies nicht Aufgabe der Schüler*innen, Teil des Unterrichts sein? Herrn Block zufolge liegt genau da das Problem. Der Personalmangel, die Klassengrößen und festgelegten Inhaltsvorgaben für den Unterricht machten so etwas nicht möglich.

Stattdessen sitzen wir drinnen in unseren Klassenzimmern und sehen träge dabei zu, wie das Trinkwasser minutenlang weiter ungenutzt in den Abfluss rauscht, wenn wir nur kurz unsere Trinkflasche auffüllen wollten. Herr Meyn sagt dazu, die Wasserhähne seien nur in bestimmten Intervallen einzustellen. Das in Frage kommende Intervall ist dann eben etwas lang. Ein Grund für die fehlende Bepflanzung ist übrigens auch der zu hohe Wasserbedarf. Da fehlt also auf der Wiese das Wasser, das wir ungenutzt ins Waschbecken fließen lassen. Fehlverteilung. Wie überall auf der Welt.

Aber zurück zu unseren Klassenräumen. Denn auch die Restmülltonnen quellen über, und zwar vor Plastik. Wir haben zwei Mülltonnen. Das sind viele und eine dritte kann uns scheinbar nicht zugetraut werden. Die Begründung, heute wie zwei Jahre zuvor: Wir schafften es ja schon nicht, den Restmüll und Papiermüll zu trennen. Voraussehbare Überforderung. Bei Zehn- bis Zwanzigjährigen. Nicht bei Sechsjährigen. Die schaffen das. Die Grundschule Adendorf zum Beispiel führte bereits vor etwa sieben Jahren eine Plastiktonne ein. Mit Erfolg.

Wie ist es also zu verstehen, dass uns etwas nicht zugetraut wird, was Grundschüler*innen schon seit Jahren mit links können? Zumal die Grundschüler*innen noch nicht einmal viel Nutzung für ihre Plastiktonne haben. Sie haben ihre Brote und Äpfel in kleinen Brotdosen dabei und Trinkflaschen und nur ein paar unaufmerksame Eltern wickeln ihnen ihr Pausenbrot in Alufolie.

Bei uns sieht das ganz anders aus. Die Getränke- und Süßigkeitentüten vom Kiosk oder die Verpackungen des halben Sortiments des Scharnebecker Supermarktes: alles landet bei uns im Müll – oder daneben. Auch Herr Block schüttelt über die Vermüllung der Klassenräume und des Schulhofes nur den Kopf. Das haben wir wohl uns selbst zuzuschreiben.

Wenn wir also auf dem Weg zu den Kunst- oder Bioräumen an dem grünen Banner mit der Aufschrift „Umweltschule“ vorbeilaufen, können wir uns fragen, womit wir es verdient haben. Warum wir immer wieder belohnt werden für eine Entwicklung, die einer nachhaltigen nicht einmal nahe kommt. Sind die Anforderungen für diese Auszeichnung so niedrig? Oder liegt es an etwas anderem? Haben wir bei unserem Rundgang durch die Schule etwas vergessen? Das ganz hinten am Rande des Geländes liegt und in all der Rasen- und Steinwüste eine Oase der Nachhaltigkeit darstellt? Ja. Den Biogarten. Er ist der Grund dafür, dass wir als scheinbare Umweltschule schillern dürfen, dass wir die vorgeschriebenen zwei Handlungsfelder und das erwartete selbstentwickelte Projekt für die Auszeichnung der „Umweltschule“ erreichen. Die Biogarten-AG ist da drin, es finden sich immer Lehrer, die zusätzlich dort Aufsicht führen, in den Pausen ist er gut besucht, im Sommer auch während des Unterrichts… Herr Block hat recht: darauf können wir stolz sein.

Aber der Rest? Eher mickrig. Auch Herr Block ist mit der Nachhaltigkeit an unserer Schule nicht zufrieden: Viele Dinge stünden zum Titel „Umweltschule“ stark im Widerspruch. Ein Umdenken daure jedoch sehr lange. Bekannte Handlungsmuster müssten erst selbst erkannt und danach bewusst umgestellt werden, erklärt er.

Aber was bedeutet das für uns? Ist die Schule nicht genau der richtige Ort, um genau dies zu tun? Der Ort, an dem wir, so viele junge Menschen, versammelt sind, deren Zukunft auf dem Spiel steht? Sollten wir nicht aufhören, uns hinter dem Titel „Umweltschule“ zu verstecken und so zu tun, als täten wir schon genug?

Wir sollten diese Plastiktonne bekommen, beweisen, dass wir wissen, wie man Müll trennt. Wir sollten diese Blumen pflanzen, zeigen, dass wir wissen, wie man Bienen rettet.

Denn auf der Welt hat sich in den letzten zwei Jahren wenig verändert. Doch die Uhr tickt. Auch bei uns. Auf jedem Schulflur und in jedem Klassenzimmer. Wenn wir die Welt nicht verändern können, so können wir wenigstens unsere Schule verändern! Es ist jetzt Zeit, dem Titel der „Umweltschule“ wirklich gerecht zu werden.

V.R.

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